Schülerparade, angeführt von einem Lehr, zum 75-jährigen Jubiläum in Sommerfeld. ©Verna HeinrichsSchülerparade, angeführt von einem Lehr, zum 75-jährigen Jubiläum in Sommerfeld. ©Verna Heinrichs

von Kennert Giesbrecht, Mennonitische Post

Sommerfeld, Caaguazu (PARAGUAY) – Am 20. und 21. Juli feierte die Kolonie Sommerfeld in Ost-Paraguay ihr 75-jähriges Jubiläum. Seit Monaten hatte man sich auf dieses Dankes-Fest vorbereitet. Hunderte Menschen aus der Kolonie waren an den Vorbereitungsarbeiten beteiligt.

Foto: Schülerparade, angeführt von einem Lehr, zum 75-jährigen Jubiläum in Sommerfeld. ©Verna Heinrichs

Gepflasterte Straßen und Bauernhöfe statt dichter Urwald

Die Zahl 75 – gebildet von mindestens 750 Sommerfelder Bürger. Fotos: Verna Heinrichs

Wo vor 75 Jahren ein undurchdringlicher Urwald stand, sieht man heute gepflasterte Straßen durch die Dörfer, Wohnhäuser und Bauernhöfe links und rechts, dutzende Geschäfte und Fabriken, Schulen, Kirchen, ein Krankhaus, Pflege- und Altenheim und so vieles mehr. Sommerfeld und Bergthal in Paraguay und Los Jagueyes (Quellen-Kolonie) in Mexiko feiern ihr 75-jähriges Bestehen in diesen Monaten. 1948 war das Jahr, wo sie Kanada verließen und sich ein neues Heimatland suchten.

Alle kamen aus Manitoba

Alle kamen sie aus Manitoba, Kanada. Für die Pioniere von Sommerfeld hieß es schmerzhafte Trennung von Verwandten und Freunden, und der Abschied von einem Land, dass man etwa 65 Jahre Heimat genannt hatte. Nach einer langen Reise per Schiff und Zug erreichte man das Land, wo man sich ein neues Zuhause aufbauen wollte. Dort fand man eine Wildnis, wie man sie sich wohl nicht einmal in den Alpträumen vorgestellt hatte, vor. Riesige Bäume, wo die Baumwipfel oft 20 bis 30 m in den Himmel ragten, und ein beinah undurchdringliches Dickicht an Lianen und Sträuchern im Unterwald. Nur wenige haben an den ersten Tagen wohl daran gedacht, dass genau dieser Wald ihnen lange den Unterhalt bescheren würde. Sehr bald entstanden dort die ersten Sägewerke und man konnte tausende Baumstämme aus den Wäldern holen und somit Nutzhölzer im ganzen Land verkaufen – oder sie selber nutzen.

Pioniere fanden fast ausschließlich Waldland vor

Fünf Jahre nach der Ansiedlung reiste Dr. Walter Quiring in jene Gegend und besuchte die Pioniere. Seine Erlebnisse hielt er in Bild und Wort in einem Buch fest. Hier folgen einige Auszüge aus dem Buch „Im Schweiße deines Angesichts“ über die Ansiedlungsjahre von Sommerfeld: „Sommerfeld, wo heute in neun Dörfern 119 Familien mit 644 ehemalige Westreservlern leben, liegt nur etwa 25 km von Bergthal entfernt. Es hat wesentlich mehr Land als Bergthal, und zwar 34.000 ha, das gleichfalls für 7.50 Dollar pro Hektar erworben wurde. Die klimatischen und land wirtschaftlichen Verhältnisse sind hier natürlich die gleichen wie in Bergthal. Auch hier ist das Land fast ausschließlich Waldland, das erst gerodet werden musste. Auch hier sind die wenigen Kamps zur Besiedlung ungeeignet, weil sie niedrig und daher meist sumpfig sind und nur als Viehweide genutzt werden können. Auch hier sind in nur fünf Jahren stattliche Höfe mit gesunden Obst- und Gemüsegärten entstanden (im Ganzen wurden hier etwa 300 ha gerodet), aber auch hier schlägt man sich mühsam durch mit den geringen Nebeneinnahmen. Man hat wohl zu essen, man hat sich mit den in Kanada mitgebrachten Möbeln, Haushaltsgegenständen und landwirtschaftlichen Maschinen und den kanadischen Dollars ordentlich einrichten können, aber man kommt wirtschaftlich nicht voran. (…) Dass gleich im Ansiedlungsjahr 28 Familien zurück nach Kanada gingen, braucht allerdings nicht als Alarmzeichen gedeutet zu werden. Bisher fanden Abwanderungen von allen mennonitischen Ansiedlungen in Paraguay statt, und meistens gleich in den ersten Jahren. Von Sommerfeld gingen 1949, im zweiten Jahr also, weitere 47 Familien zurück nach Kanada (…). Im Ganzen gingen von Sommerfeld 441 Personen zurück nach Kanada. (…)

Grund für die Auswanderung: Unterdrückung der deutschen Sprache

Das Zentrum der Ansiedlung Sommerfeld ist das Dorf gleichen Namens. Hier befindet sich die Kooperative, und hier wohnt auch der Älteste Isbrand Friesen, dem sechs Prediger in seiner Arbeit zur Seite stehen. Als Grund der Auswanderung aus Kanada geben auch diese Siedler an, sie hätten in Kanada keine Möglichkeit mehr gesehen, ihren Kindern die deutsche Sprache zu erhalten. Auch einige andere Erscheinungen hätten sie beunruhigt. (…)“ Soweit die Auszüge aus dem Buch von Quiring.

Gedenkfeier an zwei Tagen

Am 20. und 21. Juli fanden nun verschiedenste Veranstaltungen auf der Gedenkfeier zum 75-jährigen Jubiläum in der Kolonie statt. Am ersten Tag schätzte man die Zahl der Besucher auf mehr als 5.000 Personen. Es wurde viel von der Geschichte der Ansiedler vorgeführt und erzählt. Es war ein Dankesfest, das bekam man immer wieder zu sehen und hören.

Daten zur Einwanderung und zur Kolonie heute

(auf dem Jubiläumsfest vorgelesen von Franky Hildebrand)
1 – Am 25. Juni 1948 verließen die Sommerfelder Kanada auf dem Schiff Volendam.
2 – Es waren insgesamt 1640 Passagiere. Unterwegs wurden zwei Kinder geboren, also waren es 1642 die Buenos Aires am 18. Juli erreichten.
3 – Von dort reiste ein Teil mit dem Schiff, ein anderer Teil mit dem Zug bis Paraguay.
4 – Am 22. Juli erreichte die erste Gruppe Villa Rica.
5 – 976 Personen siedelten in Sommerfeld an (die anderen in der Nachbarkolonie Bergthal).
6 – David Doerksen war die älteste Person in der Gruppe, er zog aber bald zurück.
7 – 28 Familien zogen noch im ersten Jahr zurück.
8 – Ende 1949 waren es schon nur 624 Personen – viele waren also zurückgezogen.
9 – Am Anfang wurden 9 Dörfer angelegt, heute sind es 32 in Sommerfeld und 8 Dörfer in Neu-Sommerfeld.
10 – Erst 19 Jahre nach der Ansiedlung (also 1967) erreichte man wieder beinah dieselbe Bevölkerungszahl (969) aus der Ansiedlungszeit.
11 – Die Verwaltung der Kolonie bestand am Anfang aus 25 Komiteemitglieder. 1951 wurde das Komitee aber annulliert und man wählte drei Verwalter oder „Administradores“.
12 – Heute hat die Kolonie 5021 Einwohner. 69 Personen sind noch Pioniere, also in Kanada geboren.
13 – In der 75-jährigen Geschichte wurden 6102 Kinder in der Kolonie geboren.
14 – Sommerfeld hat eine durchschnittlich junge Bevölkerung. Das beweist die folgende Statistik: 2280 Personen sind minderjährig, also 18 Jahre alt oder jünger.

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