Der Postkartenausschnit der Suelmerstraße in Heilbronn zeigt auch das Lichdi-Geschäft. © Gebrüder Metz, Heilbronn Postkarte Suelmerstrasse 1931 StadtA-HN-F003-M 0507-151, Ausschnitt verkleinert von Horst Martens, CC BY-SA 3.0 DEDer Postkartenausschnit der Suelmerstraße in Heilbronn zeigt auch das Lichdi-Geschäft. © Gebrüder Metz, Heilbronn Postkarte Suelmerstrasse 1931 StadtA-HN-F003-M 0507-151, Ausschnitt verkleinert von Horst Martens, CC BY-SA 3.0 DE

Eine mennonitische Wirtschaftsgeschichte

Die Familie Lichdi gehört zu den vielen Mennonitenfamilien, die in den Bereichen Wirtschaft, Handel oder Finanzen bedeutende Spuren hinterlassen haben. Andere Beispiele sind die von Beckeraths, Doornkaats, von der Leyens, Vermöllens, von der Blockens und mehr. Die Lichdis betrieben in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine erfolgreiche Lebensmittelkette in Süddeutschland.

Familiengeschichte beim Zoom-Vortrag

Diether Götz Lichdi, einer der bekanntesten Vertreter der Lichdi AG, hielt kürzlich einen Zoom-Vortrag des Mennonitischen Geschichtsvereins in der Reihe „Familienforschung“. Er sprach unter dem Titel „Vom Bauernstand zum Unternehmerstand – die Mennonitenfamilie Lichdi“.

Lichdi war Manager und Buchautor

Diether Götz Lichdi. ©Plautdietsch Frind 2016

Lichdis Werk „Die Mennoniten in Geschichte und Gegenwart. Von der Täuferbewegung zur weltweiten Freikirche“ ist vielen Geschichtsinteressierten bekannt, ebenso wie seine anderen Arbeiten. Weniger bekannt ist, dass er und seine Familie auch in der deutschen Wirtschaft tätig waren. Lichdi, geboren 1935, absolvierte eine kaufmännische Ausbildung in Deutschland und den USA und trat 1957 in die Gustav Lichdi AG ein, die sein Großvater gegründet hatte. Ab 1965 gehörte er dem Vorstand an. Das und vieles mehr berichtete Ulrike Arnold, die Tochter von Lichdi, an dem Zoom-Abend zum Leben ihres Vaters.

Die Familie stammte aus dem Emmental

Die Lichdis stammten ursprünglich aus dem Emmental, wo sie im 17. Jahrhundert als Bauern lebten. In den darauffolgenden Jahrhunderten siedelten sich einige Lichdis im süddeutschen Raum an, wie auf der Seite des Mennonitischen Geschichtsvereins zu lesen ist. Von vielen Lichdi-Generationen gibt es Nachweise. Wir blättern vor in die letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts, als Dina Kreiter, die zweite Ehefrau von Johannes Lichdi, ihre vier Söhne zu einer kaufmännischen Lehre im Lebensmittelhandel schickte und „in den 1890er Jahren selbst einen Laden in Kirchhardt bei Heilbronn eröffnete und damit den Grundstein legte, dass die Lichdis heute in der 6. Generation Händler sind“.

Gustav Lichdi gelang der Erfolg

Gustav Lichdi (1876-1945), das vierte lebende Kind aus der zweiten Ehe von Johannes Lichdi mit Dina Kreiter, schaffte den Durchbruch. Er ging 1900 zum Mennoniten Jakob Latscha nach Frankfurt, der einen Lebensmittelfilialbetrieb aufgebaut hatte, und eröffnete vier Jahre später seine erste Filiale in Heilbronn. Sein Erfolgsrezept waren niedrige Preise durch Großeinkauf. In den 30er Jahren hatte er über 60 Filialen. Im „Dritten Reich“ wurden Kaufhäuser und Filialbetriebe als unerwünschte Betriebsformen angesehen und diskriminiert. Gustav Lichdi passte sich an, grüßte mit Heil Hitler und hängte ein Hakenkreuz in den Empfangsraum. Er starb kurz vor Kriegsende am 26.04.1945 in Liebenstein bei Neckarwestheim an Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Kurt Lichdi: Wirtschaftsführer und Klaviervirtuose

Kurt Lichdi (1907-2000), das einzige Kind, trat die Nachfolge an. Er ließ sich schon mit 14 mennonitisch taufen, studierte an der Musikhochschule Stuttgart und wurde Konzertpianist. 1936 kam er zur Gustav Lichdi AG und wurde ein Jahr später in den Vorstand gewählt. 1939 musste er zur Flugabwehr und geriet 1944 in britische Gefangenschaft. Nach seiner Rückkehr und mit einem neuen Vorstand baute er das Unternehmen wieder auf. Er expandierte nach Eppingen, Walldürn, Stuttgart-Stammheim und Ansbach in Bayern. Er eröffnete die ersten Selbstbedienungsläden, erweiterte das Warenangebot und gründete große Lichdi-Zentren.

Engagement in mennonitischen Werken

Diether Götz Lichdi stellte in seinem Vortrag die weitere Entwicklung bis zum Verkauf der Gustav Lichdi AG Ende 1978 dar. So schilderte er, dass Kurt Lichdi zeitlebens Konzerte als Pianist gab, Führungsaufgaben in mennonitischen Konferenzen und Werken übernahm, Delegierter bei der Weltkonferenz 1962 in Kitchener, Ontario, war und als Mitglied in der Herausgeberkommission des internationalen Gemeindeblatts Der Mennonit figurierte. Für seine Initiative zur Gründung des Württembergischen Kammerorchesters Heilbronn bekam er das Bundesverdienstkreuz.

Das Lichdi-Imperium umfasste 90 SB-Läden

Laut Wikipedia hatte die AG 1951 über 70 Filialen mit rund 450 Beschäftigten in Württemberg, Baden und Bayern und gehörte neben Kaiser’s und Tengelmann zu den großen Filialunternehmen. 1963/1964 erzielte die Firma in 64 Filialen mit 800 Beschäftigten einen Umsatz von 72,4 Millionen DM. Die Erfolgskurve zeigte weiterhin einen steilen Anstieg: 1970 betrieb das Unternehmen 90 Selbstbedienungsläden und Supermärkte. Das Stammhaus wurde in diesem Jahr von Kurt und Diether Götz Lichdi geleitet. Mit diesen Zahlen hatte Lichdi den Gipfel erreicht, aber auch die Grenzen überschritten. Die Konzentrationsbewegungen, die einsetzten, waren für Lichdi nachteilig. Der Verkauf an Coop Ende der 70er Jahre führte zur vollständigen Auflösung. Die Lichdi AG war Anfang 1980 nicht mehr existent.

Kaffee, der bei Lichdi verkauft wurde. © Stadtarchiv Heilbronn. www.stadtgeschichte-heilbronn.de/

Mehr Informationen gibt es bei Diether Götz Lichdi dglichdi@gmx.de

Quellen:

Vom Bauernstand zum Unternehmerstand – Familienforschung | Mennonitischer Geschichtsverein (mennonitischer-geschichtsverein.de)

Gustav Lichdi AG – Wikipedia

Vom Bauernstand zum Unternehmerstand – weiteres aus der Familienforschung – Mennonews.de :=: Mennonitische Nachrichten

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