Die mennonitische Familie Möllinger war eine erfolgreiche Großfamilie, die in zwei völlig unterschiedlichen Wirtschaftszweigen herausragte. Während einige Mitglieder als exzellente Uhrmacher bekannt waren, setzten andere in der Agrarwirtschaft neue Maßstäbe.
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Die Zoom-Abende des mennonitischen Geschichtsvereins haben mich motiviert, diese Persönlichkeiten auf meiner Homepage vorzustellen.
Drei Brüder Möllinger sollen 1650 in die Pfalz eingewandert sein – weil sie in der Heimat Schweiz vor Verfolgung nicht sicher waren. Vier Brüder der Enkel-Generation setzte dann zum Höhenflug an: Johann Jakob und Joseph Möllinger vollbrachten im Uhr-Kunsthandwerk herausragende Leistungen. David und Martin Möllinger führten in der Landwirtschaft fortschrittliche Agrar-Methoden ein. In beiden Gewerbezweigen setzten die nachfolgenden Generationen die Arbeit fort.
Wie Iris Merkel auf die Großfamilie Möllinger kam
Iris Merkel kennt sich in der Geschichte der Familie Möllinger gut aus. Sie ist zertifizierte Gästeführerin in der Ortsgemeinde Monsheim mit rund 2.600 Einwohnern in der Nähe von Worms. In Monsheim waren die Agrarexperten aktiv. Merkel hat über die Möllinger-Dynastie recherchiert und hat auch bei den Zoom-Abenden des Mennonitischen Geschichtsvereins referiert. Foto: Iris Merkel. ©Merkel
menno-welt hat Iris Merkel interviewt.
menno-welt: Welche Bedeutung haben die Möllinger für Monsheim, wie bewerten Sie die „Großfamilie“?
Iris Merkel: Monsheim ist ein kleines Dorf – damals in der Grafschaft Leiningen, heute in Rheinhessen.
Hier lebten und arbeiteten die Brüder Martin und David Möllinger. Sie veränderten die gesamte Landwirtschaft im süddeutschen Raum. Ihr Hof funktionierte gleich einem Uhrwerk (!), und über die Verbindungen der Uhrmacherbrüder in Neustadt konnten leichter Handelsbeziehungen aufgebaut werden. Also: In der Großfamilie lief alles rund, man war füreinander da.
Merkel: Die Uhrmacherdynastie Möllinger entstand in Neustadt an der Weinstraße . Hier wurden viele Lehrlinge ausgebildet. Bei Uhrmachern im Odenwald und auch in Neuwied kann man die “Lehrstube” der Möllingers erkennen. Noch heute finden sich viele, sogar gangbare, Uhren in und um Neustadt und in der ganzen Pfalz verteilt. Das Kunstversteigerungshaus Herbert Denzinger spürt immer wieder solche Uhren auf, restauriert die Gehäuse und sucht Käufer für die Uhren.
Im Trend der Zeit
Merkel: Mit ihrer technischen und musischen Begabung waren die Möllinger im Trend der Zeit und dadurch entstanden viele Verbindungen zu den „regierenden Höfen“ wie Neustadt, Zweibrücken, Mannheim, Heidelberg. Diese Verbindungen waren dann bestimmt auch für die beiden landwirtschaftlich geprägten Brüder in Monsheim nützlich.
menno-welt: Wie ist es dazu gekommen, dass Sie sich mit der Familiengeschichte befassen?
Merkel: Schon seit meinem 18. Lebensjahr befasse ich mich mit der Familienforschung. Der Großvater meiner Oma ließ seine Familie zurück und wanderte nach Amerika aus. Jeder in der Familie suchte nach ihm und so hat auch mich, nach dem Tod meiner Oma, dieses “Sucher-Gen” erfasst.
Bei der Familienforschung kommt man unweigerlich in Berührung mit der Ortsgeschichte und Geschichte allgemein und so kam ich schließlich dazu, als Gästeführerin interessierten Monsheims Ortsgeschichte näherzubringen.
Schon als Kind faszinierten mich die Großen Höfe (Möllinger Höfe) in der Monsheimer Hauptstraße. Zu Lebzeiten meiner Oma nannte sie allerdings niemand so. Erst durch die Gästeführungen wurde wieder ins Bewusstsein gerückt, wie diese Großen Höfe entstanden sind, wer sie gebaut hat und welche Geschichte damit verbunden ist.
Da es in der einzigen Quelle unseres Dorfes, der Monsheimer Ortschronik, nur wenige Informationen zur Familie Möllinger gab, habe ich mir die Familie über die Familienforschung erschlossen.
Und – keine Ahnung warum – die Familie, der mennonitische Hintergrund, die breitgestreuten Verbindungen der Familie zogen mich in ihren Bann. Immer wieder mal mache mich auf die Suche weiterer Familienmitglieder.
Die Agrarreformer
David Möllinger (1709-1787) wurde in Monsheim als „Vater des Pfälzer Ackerbaus“ berühmt. Dessen Bruder Martin (1698-1774) war Landwirt und Branntweinbrenner. Von 1728 bis 1753 pachtete das Schlossgut des Herren La Roch in Monsheim. 1753 zog David nach Mannheim, wo er Prediger der dortigen Mennonitengemeinde wurde.
David Möllinger erwarb 1744 das Anwesen Hauptstraße 34 in Monsheim, später auch die benachbarten Höfe und sonstigen Flächen. David betrieb Ackerbau. Durch Düngung trug er wesentlich zur Abschaffung der Dreifelder-Wirtschaft bei. Außerdem züchtete er Schweine und hielt bis zu 40 Mastochsen. Damit noch nicht genug: Er betrieb auch Weinbau, brannte Schnaps und braute Bier, das er im Keller unter der Villa Fliedner lagerte. Als anerkannter Ökonom wurde er zum Hoflieferanten des gräflichen Hofes Leiningen-Dachsburg-Fallenberg. Aufgrund seiner über die Monsheimer Grenzen hinaus bekannten Leistung nannte man ihn den “Vater des pfälzischen Ackerbaus”.
Davids Söhne Martin (1747-1794) und Christian Möllinger (1750-1806) blieben auf dem väterlichen Gut und führten Davids Lebenswerk ganz in seinem Sinne fort.
Dem mennonitischen Glauben verbunden
Die Geschwister und ihre Familien lebten ihren mennonitischen Glauben im Alltag und verheirateten auch ihre Kinder wiederum innerhalb der mennonitischen Glaubensgemeinschaft. Sie erweiterten Davids Kreislaufwirtschaft u. a. dadurch, dass die Felle ihrer in Mannheim geschlachteten Ochsen zurückkamen und in der gemeinsam gegründeten und betriebenen Gerberei in Offstein verarbeitet wurden. Die Hofgebäude, die großenteils heute noch stehen, wurden in der Kinder- und Enkelgeneration erweitert.
Die Uhrmacher
Der älteste und der jüngste der Brüder, Johann Jakob (1695-1783) und Joseph Möllinger (1715-1772), lernten in Frankental das Uhrmacherhandwerk. Eigentlich war den Mennoniten nicht erlaubt, dieses Handwerk zu erlernen und auszuüben. Ihr Antrag auf Genehmigung wurde zunächst abgelehnt, muss aber wohl schließlich vom Kurfürsten genehmigt worden sein.
Johann Jakob Möllinger (1695-1763) wohnte mit seiner Familie 1727 in Neustadt an der Weinstraße. Ihr Haus in der Hintergasse 26 ist erhalten. Er baute Standuhren und große Turmuhren, z.B. für die Dreifaltigkeitskirche in Worms 1742, heute im Museum. Möllinger hatte acht Söhne und eine Tochter Judith, die wie der Vater das Uhrmacherhandwerk betrieben. Doch erreichte keiner die Fähigkeiten des Vaters. Die Witwe Elisabeth führte das Geschäft weiter, dass sie dann Sohn Elias übergab. Johann Jacob Möllinger ist angeblich in mütterlicher Linie ein Vorfahr der Kelly Family Vermutlich ist der in der ersten Generation in die Pfalz eingewanderte Benedikt Möllinger der Vorfahre der Kelly Family.
Einige von Benedikts Nachkommen sind in die USA ausgewandert, so entstanden wohl auch die Verbindungen von Uhrmacher Johann Jakob in die USA, denn es ist ja nachgewiesen dass er Uhren bis in USA lieferte.
Foto: Zifferblatt einer Standuhr von Johann Jacob Möllinger. ©Klaus Thyes, Wikipedia.
Johann Jakob Möllingers Werke: Uhr des Altpörtels in Speyer. Turmuhr der Dreifaltigkeitskirche in Worms. Heute im Wormser Museum eingelagert. Turmuhr in der St. Georgskirche in Wachenheim an der Weinstraße. Schlossuhr von Schloss Benrath.
Joseph Möllinger (1715-1772), der zwanzig Jahre jüngere der Brüder, war zunächst wie Johann Jakob in Neustadt an der Weinstraße tätig. War von 1756-1770 Münzmeister von Herzog Christian IV von Pfalz-Zweibrücken.
Die Söhne von Johann Jakob Möllinger
Sein Sohn Christian Möllinger (1745-1826), Zwillingsbruder von Elias, war Oberhofuhrmacher des preußischen Königs in Berlin. Baute für die Akademie der Künste in Berlin die erste Normaluhr. Daniel Möllinger (1746-1794) war in Mannheim Uhrmacher.
Foto: Astronomische Standuhr von Christian Möllinger. © Klaus Thyes, Wikipedia
Quellen: Iris Merkel, Mennonitischer Geschichtsverein, Wikipedia.