Miriam Toews. Foto: 562luca76, Miriam Toews a Più libri più liberi (Roma, 7 dicembre, 2013), CC BY-SA 3.0
„Eine beliebte kanadische Romanautorin rechnet mit ihrer mennonitischen Vergangenheit ab“ – so hieß vor ein paar Jahren ein Porträt von Miriam Toews im The New Yorker. Meistens verurteilt Miriam Toews die Mennoniten-Kultur und die „repressive“ mennonitische Religion in Bausch und Bogen. In einem aktuellen Bericht der spanischen Nachrichtenagentur EFE sind neben den schmähenden auch andere, differenzierende Töne zu hören.
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Bücher über starke leidende Frauen
Anlass des Interviews mit den spanischen Journalisten ist Miriam Toews neuestes Buch „Fight Night“. Es handelt sich um eine Geschichte über drei Generationen von Frauen – Kind, Mutter und Großmutter – und ihre Beziehungen zueinander. In mehreren ihrer Romane geht es immer wieder um dieselbe Thematik: Um starke Frauen, die viel gelitten haben, aber entschlossen sind, durchzuhalten. Immer wieder scheint Miriam Toews eigene Familiengeschichte wie ein Leitmotiv durch: die Depressionen und die Selbstmorde ihres Vaters und ihrer Schwester und die unterdrückende mennonitische Gesellschaft. Ihrem Vater und ihrer Schwester hat sie auch eigene Romane gewidmet (Kleiner Vogel, klopfendes Herz; Das gläserne Klavier). Wie sie den spanischen Journalisten verrät, hat sie auch bei dem Roman „Die Aussprache“, der von Sarah Polley verfilmt wurde, immer an ihre ältere Schwester gedacht, die ihre erste Leserin war und sie „zum Lesen und Schreiben ermutigte“.
Keine Differenzierung
Rückblick zu einer Lesung von Miriam Toews in Köln, bei der sie ihr später hochgelobtes Buch „Die Aussprache“ vorstellte. Die Moderatorin der Lesung fragte in etwa Folgendes: „Sie selbst sind ja auch in einer mennonitischen Gesellschaft aufgewachsen. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?“ Ich habe nun von Miriam Toews erwartet, dass sie sagen würde: „Wissen Sie, Steinbach in Kanada und die isolierte mennonitische Kolonie in Bolivien sind nicht zu vergleichen. In Steinbach gibt es zahlreiche Zugänge zu anderen, offeneren Welten.“ Aber nichts da. Sie ließ die Zuhörer in dem Glauben, dass sie in der gleichen Situation aufgewachsen sei wie die mennonitischen Frauen in Bolivien.
Erst Kritik, dann Wehmut
In ihrem aktuellen Interview sagt sie über die mennonitische Gemeinschaft: „Es gibt viele Aspekte dieser fundamentalistischen, konservativen Gemeinschaft, die schädlich sind.“ Es sei eine „patriarchalische Gesellschaft, in der es viel Gewalt gibt, die in die Seele, in den Verstand geht“. Aber nach der Schmähung folgt Wehmut. Unerwartet gibt sie laut Bericht zu, dass sie „einige Dinge aus dieser Zeit vermisst, wie die Art und Weise, wie ihre Mitglieder kommunizieren, die ’sehr direkt‘ ist, zusätzlich zu ‚einem subversiven Humor, um sich über die Heuchelei dieser Kirche lustig zu machen‘.“
Lieber bolivianische Mennonitenkolonie als Hollywood
Auf die „Die Aussprache“, räumt Toews laut Bericht ein, habe sie auch viele positive Reaktionen von Mennoniten erhalten. Wie in allen Religionen gäbe es „verschiedene Möglichkeiten, ein Mennonit zu sein, genauso wie es Wege gibt, jüdisch zu sein“. Hollywood möge sie allerdings überhaupt nicht. Wenn sie sich entscheiden müsste, wo sie den Rest ihres Lebens verbringen wolle, ob in Hollywood oder in einer bolivianischen Mennonitenkolonie, würde sie lieber nach Bolivien als nach Los Angeles gehen. Ach ne.
Horst Martens
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