Kritische Stimmen in Deutschland und USA gegen Einseitigkeit im Nahostkonflikt
In der aktuellen Auseinandersetzung im Nahen Osten neigt sich die Weltmeinung zunehmend von Israel ab und unterstützt stärker Gaza. Verschiedene Mennonitenorganisationen haben sich von Beginn an eher auf die Seite Gazas gestellt.
Relativierung des Hamas-Angriffs auf Israel
Das Deutsche Mennonitische Friedenskomitee, das von der Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden (AMG) getragen wird, hat in der „Brücke“, Organ der AMG, Stellung bezogen zu Gaza und Israel. Nun kommt Kritik auf. Brücke-Leser Günter Driedger aus Oberriexingen empfindet die Darstellung als zu einseitig. Er schreibt in seinem Beitrag in der Brücke 3/2024*: „Die veröffentlichten Stellungnahmen des DMFK … haben vor allem das furchtbare Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung in Gaza im Blick. Das, was am 7. Oktober 2023 passiert ist (mörderischer Angriff der Hamas, Anm. d. Redaktion) wurde nie ausführlich dargestellt, sondern sofort relativiert und scheint nun vollkommen aus dem Blick der DMFK-Leitung geraten zu sein.“
„Dubiose Erklärungen und Begründungen“
Wenig später führt Quiring weiter aus: „Für diese Verbrechen an israelischen Zivilisten gibt es keinen Kontext, auch wenn das DMFK in seinem Statement ein sofortiges ‚aber‘ mit vielerlei dubiosen Erklärungen und Begründungen vermerkte. Es gibt kein Innehalten, keine Gesten der Anteilnahme“, so Quirings Bewertung.
Hamas mit keinem Wort erwähnt
J. Jakob Fehr, Geschäftsführer des DFMK, stellte zuvor in der Ausgabe 2/2024 der Zeitschrift „Brücke“ die Protestdemonstration der US-Gruppe „Mennonite Action“ vor. Über 100 Mennoniten hatten in Washington demonstriert und dabei rechtswidrig ein Gebäude auf dem Capitol Hill betreten, was zu ihrer Festnahme führte. (siehe auch: Rund 130 Mennoniten in Washington verhaftet (menno-welt.net)).Einige der mennonitischen Demonstranten trugen die Kufiya (Palästinensertuch), für die einen Symbol des revolutionären Widerstands, für die anderen Symbol des Terrorismus gegen Israel. Fehr führte ein Interview mit Jonathan Brennemann, dem Sprecher von „Mennonite Action“, der unkommentiert von einem israelischen Völkermord sprechen durfte.
Auffällig an Fehrs Artikel, der auch die Lage in Deutschland umreißt, ist das völlige Fehlen jeglicher Erwähnung der terroristischen Organisation Hamas.
„Mennoniten schweigen über jüdische Traumata“
Lisa Schirch, Professorin für Friedensforschung an der University of Notre Dame, setzt sich seit 30 Jahren für einen gerechten Frieden mit Palästinensern und Israelis ein. (US-Mennoniten und die einseitige Parteinahme für Palästina (menno-welt.net). In der Ausgabe der Anabaptist World vom 25. April 2024** plädierte sie für eine nuancierte Betrachtung des Problems: „Mennoniten neigen immer noch dazu, sich auf palästinensische Traumata und Sicherheit zu konzentrieren und schweigen meist über jüdische Traumata und Sicherheit“, schreibt sie.
Israelkritische Haltung hat Tradition
Schirch ist der Überzeugung: „Mennoniten unterstützen weitgehend das Mitgefühl für die Palästinenser“. Allerdings verlangt Schirch nicht, dass die Menschen zu den Gräueltaten schweigen. „Aber wir müssen auch verstehen, dass es in jedem Land reale Bedrohungen gegen Juden gibt und dass der Iran und seine regionalen Verbündeten weiterhin zur Zerstörung Israels aufrufen, was die massenhafte Tötung jüdischer Zivilisten impliziert.“ Mennonitische Veröffentlichungen hätten weitgehend alle Schuld auf Israel geschoben, mit wenig bis gar keiner Erwähnung von Drohungen gegen Juden durch Christen und Muslime.
„Selbstgerechter Ton“ und „Doppelmoral“
Jüdische Kollegen Schirchs verweisen auf den „selbstgerechten Ton“, weil die Mennoniten davon ausgehen, dass sie unschuldig sind. Dabei unterstützten die Mennoniten in Europa und Nordamerika den Nationalsozialismus weitgehend. Schirch weiter: „Wenn Mennoniten Protestschilder hochhalten, die nur ihre Sorge um die Palästinenser zeigen, sehen meine jüdischen Freunde darin nur ein weiteres Kapitel in einer langen Geschichte von Mennoniten, die jüdische Ängste und Traumata ignorieren und herabsetzen.“ Es gäbe eine Doppelmoral, die israelische Handlungen nach Menschenrechtsstandard bewerte, während die Mennoniten im gleichen Atemzug Resolutionen verabschiedeten, „in denen sie die israelische Besatzung Palästinas verurteilen, und gleichzeitig kaum auf die Hilferufe der kongolesischen Mennoniten oder indigenen Gruppen in Amerika reagieren“.
Israelgegner gewinnen Land
Nachdem jetzt sogar die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs Haftbefehl gegen den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu wegen Völkermords erlassen hat, mögen sich alle jene im Recht fühlen, die so viel Mitgefühl mit Gaza haben und Israel die kalte Schulter zeigten. Auch den Antisemitismus wird diese Maßnahme beflügeln.
* Günter Driedger: Israel und Palästina: Perspektiven auf Konflikt und Koexistenz.
** J. Jakob Fehr: Wir weinen um Gaza und singen für Frieden.
*** Lisa Schirch, Improving Mennonite support for a just peace in Israel and Palestine.